Marco Werner suchte nach einer neuen Herausforderung, stieß auf die Stellenausschreibung von Chancenwerk e.V. und unterstützt nun bereits seit ein paar Monaten als Schulkoordinator an der Gemeinschaftsschule Campus Efeuweg in Berlin-Rudow Kinder und Jugendliche dabei, ihre Potentiale zu entfalten. Hier berichtet er von seinen ersten Eindrücken, anfänglichen Ängsten und gemeinsamen Momenten aus der Lernförderung.
Ich bin Marco (25), habe Politikwissenschaften und Soziologie an der Universität Stuttgart studiert und bin derzeit in dem Masterprogramm „Kultur & Religion“ an der Humboldt Universität zu Berlin eingeschrieben. In meinem Studium habe ich viel über die Theorie sozialer Ungleichheit, deren Ursprung sowie mögliche Lösungsansätze gelernt. Nach nunmehr neun Hochschulsemestern reichte es mir allerdings nicht mehr aus, nur in Büchern darüber zu lesen oder Studien diesbezüglich zu analysieren. Also machte ich mich auf die Suche nach Jobs im Bereich politische Bildung. Ein paar Klicks später stieß ich auf die Stellenausschreibung des Chancenwerks: Du möchtest dich sozial engagieren? CHECK! Du kommunizierst gerne mit verschiedenen Zielgruppen und hast großes Einfühlungsvermögen? CHECK! Du bist strukturiert und hast Freude am Organisieren? Mmmh…. check! Du hast Spaß und Lust mit Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe zu arbeiten? DOUBLE CHECK!! Die Stellenausschreibung beschrieb so ungefähr genau das, was ich machen wollte. Einige Tage später hatte ich bereits eine positive Rückmeldung auf mein Motivationsschreiben in meinem Postfach. Das war der Moment, in dem ich etwas nervös wurde: „Kann ich das überhaupt? Habe ich genug Erfahrung? Bin ich ein gutes Vorbild? Was, wenn die Kinder mich nicht mögen?“ Inzwischen kann ich sagen, dass viele meiner Sorgen unberechtigt waren. Ich arbeite an der Schule am Campus Efeuweg in Berlin-Rudow. Es handelt sich dabei um eine inklusive Gemeinschaftsschule, die sowohl was die Schülerinnen und Schüler als auch das Lehrpersonal angeht, vielfältig ist. Es macht mir sehr viel Spaß in diesem Umfeld zu arbeiten. Bereits als ich das zweite oder dritte Mal die Schule betrat, erinnerten sich die Kinder an meinen Namen und grüßten mich. Bei mir dauerte es leider etwas länger bis ich die circa 30 Namen aller Schülerinnen und Schüler auswendig wusste. Mittlerweile kann ich jedoch sogar die eineiigen Zwillinge Peter und Paul auseinanderhalten.
Es gab bereits einige schöne Momente in der kurzen Zeit, die ich am Campus Efeuweg arbeite. Beispielsweise hatten wir ein kleines Abschiedsfest für eine unserer Lernkoordinatorinnen, zu dem alle Schülerinnen und Schüler etwas zu essen mitbrachten und wir die Lieblingsmusik der Kinder hörten. Als einer der Schüler ein syrisches Volkslied abspielte, fragte ein anderer: „ist das Arabisch? Ich dachte du bist Türke?“ Daraufhin erzählte der syrische Junge aus seiner Heimat und wie er zusammen mit seiner Familie nach Deutschland kam. Der andere Junge, dessen Familie aus Polen stammt, hörte ihm gespannt zu und stellte weitere Fragen. Für mich war das eine beispielhafte Begegnung wie sie im Rahmen der Lernförderung stattfinden kann. Anders als bei der klassischen Nachhilfe, die ausschließlich darauf abzielt „bessere“ Noten zu schreiben, können die Kinder und Jugendlichen sich hier austauschen. „Lernen“ meint in diesem Sinne nicht nur Schulisches, sondern auch Außerschulisches. Für mich persönlich ist es dahingehend vor allem wichtig, einen respektvollen und toleranten Umgang mit den Kindern zu pflegen. Dazu gehört es – meiner Meinung nach – auch, Zivilcourage bei den Kindern zu fördern und Konflikte auszudiskutieren. Bei einer derart vielfältigen Schülerschaft ist es wichtig, jede Einzelne und jeden Einzelnen zu berücksichtigen und auf ihre jeweiligen Bedürfnisse einzugehen. Sich diese Zeit zu nehmen, ist neben der Lernförderung mein größtes Ziel. Selbstverständlich ist die Arbeit auch mal anstrengend und wenn ich an die Schule gehe, weiß ich nie genau wie die Kinder gelaunt sind, ob es Probleme geben wird. Aber genau das macht die Arbeit für mich aus. Es ist weder langweilig noch in irgendeiner Weise vorhersehbar. Es kann auch mal chaotisch werden. Wichtig ist es in dem Fall, einen Plan B und notfalls auch einen Plan C zu haben sowie den Spaß an der Sache nicht zu verlieren. Darum bemühe ich mich jeden Dienstag und Donnerstag in der Lernförderung zusammen mit meinem Team, eine gute und entspannte Atmosphäre zu schaffen, in der gelernt aber auch Spaß gehabt werden darf. Seitdem ich für das Chancenwerk arbeite, hat sich für mich persönlich einiges geändert. Tatsächlich fühlt es sich mittlerweile so an, als wäre der Job das Richtige für mich. Meine anfänglichen Zweifel daran wurden sozusagen empirisch – in der praktischen Arbeit an der Schule – widerlegt. Somit hat die Arbeit mich nicht nur beruflich, sondern auch persönlich weitergebracht.