Von alltäglichen Fragen im Chancenwerk. Lucas Sauerborn berichtet über seine ganz persönliche Sicht auf den gemeinützigen Verein. Eine Frage begleitet ihn seit dem Bewerbungsgespräch bei den Gründern Şerife und Murat Vural und lässt ihn nicht mehr los.
Lucas Sauerborn mit Schülern in der Lernförderung.

Wenn mich jemand fragen würde „Ey Lucas, gibt es Dinge beim Chancenwerk, die dir immer wieder begegnen?“, dann würde ich mit einem Zitat unseres Geschäftsführers Murat Vural antworten: „Lucas, was würdest du an meiner Stelle besser machen?“ Diese Frage ist tatsächlich das wiederholende Element, das mich mit Chancenwerk verbindet. Jetzt fragt ihr euch: „Was? Keine bewegenden Erfahrungen mit Schülerinnen und Schülern? Keine emotional aufgeladenen Momente mit Eltern oder Lehrerinnen und Lehrern?“ Die Antwort ist: doch natürlich, aber nicht ausschlaggebend. Eine andere Frage, die ihr euch jetzt möglicherweise auch stellt: „Warum sollte es mich interessieren, was Lucas besser machen würde?“ Auch hier bekommt ihr die direkte Antwort: Es muss euch gar nicht interessieren. Es geht nämlich auch gar nicht darum, was ich besser machen würde, sondern darum, dass ich etwas besser machen kann. Ich kann Menschen motivieren, bewegen und verändern. Kann sie ermutigen, enttäuschen und anregen. Sie inspirieren, sie lehren und selbst etwas lernen. Und ich kann es besser machen. Nicht besser als andere Menschen, nicht besser, als es unsere älteren Schülerinnen und Schüler können, aber ich habe die Möglichkeit dazu, es besser zu machen, als ich es vielleicht gestern getan habe. 10. Juni 2016. Ich befinde mich in der damaligen Zentrale des Chancenwerks und stelle mich für die Position des pädagogischen Koordinators bei den Gründern Şerife und Murat Vural vor. Ich verspäte mich um ganze 20 Minuten und komme bei 30° völlig verschwitzt an. Das Gespräch ist intensiv, nervenaufreibend und fordernd. Und dann die für mich zukunftsweisende Frage: „Lucas, was würdest du besser machen?“ Was sagt man dann? Ihr macht doch bereits alles richtig? Nein. Man geht in eine völlig neue Dimension eines Angestelltenverhältnisses. Auch wenn ich es nicht gerne so nenne. Meine Arbeit beim Chancenwerk hat mich nicht dahin geführt, alles in Frage zu stellen und Möglichkeiten zu suchen, wie und wo ich etwas verbessern kann, sondern vielmehr dahin, wie ich bereits bestehende Probleme angehen kann. Wie ich sie aus dem Zusammenhang reiße, sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachte und wie ich für mich daraus eine Lehre ziehen kann. Ein häufig unterschätzter Aspekt beim Chancenwerk, sind die Chancen, die sich für die dort arbeitenden Menschen ergeben. Und so trage ich den Gedanken mit mir, alles verbessern zu wollen und durch alles etwas zu lernen. Also was würde ich nun besser machen? Ich würde all die Dinge aus dem Weg schaffen, die bei der Umsetzung unserer Idee im Weg stehen. Was für Dinge es heute sind, weiß ich vielleicht. Welche es morgen sein werden, weiß ich nicht. Genau aus diesem Grund höre ich nicht auf zu forschen. Höre nicht auf zu forschen in der großen Werkstatt des Chancenwerks. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum mir diese Frage immer wieder gestellt wird? Wenn das so ist, dann freue ich mich auf die weitere, überaus intensive Arbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Fragt euch einmal selbst: Was würdet ihr besser machen?

Lucas Sauerborn, Pädagogische Koordination Duisburg Chancenwerk e.V.